Eine tierische WG entsteht in Crawinkel

Quelle: Thüringer Allgemeine (19.12.2018), von Franziska Gräfenhan, https://www.thueringer-allgemeine.de/leben/natur-umwelt/eine-tierische-wg-entsteht-in-crawinkel-id224963883.html

Crawinkel 

Aus einem alten Trafo-Häuschen wird ein Lebensraum für zehn verschiedene Tierarten. Schleiereule, Turmfalke und Fledermaus wohnen hier unter einem Dach und lassen sich trotzdem in Ruhe.

Wo sich Schleiereule und Turmfalke bald gute Nacht sagen: Am Ortsrand von Crawinkel wurde am Dienstag der erste Artenschutzturm im Landkreis Gotha eingeweiht. Er soll zukünftig einer tierischen Wohngemeinschaft Platz bieten. Neben vielen Vogelarten finden in dem alten Trafo-Häuschen auch Fledermäuse und Insekten ein neues Zuhause.

Dem alten Turm kommt damit eine neue Funktion zu. Er bietet mitunter stark gefährdeten Tierarten einen geschützten Lebensraum und soll langfristig die Artenvielfalt am Ortsrand erhöhen. „Brutvögel wie die Schleiereule oder der Turmfalke finden hier einen ausgezeichneten Platz zum Nisten“, erklärte Ronald Bellstedt, Vorsitzender des Gothaer Kreisverbandes des Naturschutzbundes (Nabu). Diese Tiere bevorzugten hohe, einzeln stehende Bauten, um Revier und Beute im Blick zu behalten. Aber auch kleinere Vogelarten wie Mauersegler, Haus- und Gartenrotschwanz oder die Bachstelze fänden in dem Trafo-Häuschen einen Unterschlupf. „Mauersegler brauchen für ihren Nachwuchs eine gewisse Fallhöhe“, erklärte Bellstedt.

Er merkte an, dass der Artenschutzturm aber nicht nur für Vögel gedacht sei. Auch heimische Fledermausarten, darunter der Große Abendsegler oder das Braune Langohr, nutzten Türme wie diesen zum Nestbau, da sie hier unter anderem im Winter vor Frost geschützt seien.

Zehn Tierarten finden in dem Trafo-Haus Platz

Zudem bieten zwei Insektenhotels auf der Südseite kleineren Lebewesen, etwa der Wildbiene, einen Lebensraum. „Die Bienen leisten wiederum einen wichtigen Beitrag zur Bestäubung der Streuobstwiese“, erklärte Bellstedt die Wirkung des Projektes auf die Pflanzenwelt.

Das Zusammenleben der bis zu zehn verschiedenen Tierarten in einem Turm sei in der Regel kein Problem, meinte der Naturschützer weiter. „Am Brutplatz herrscht eigentlich Frieden.“ Außerdem habe man ja die Arten, die hier ideale Bedingungen zum Nisten finden, bewusst ausgewählt. Auch wenn bisher kein Tier eingezogen sei – ein paar Spatzen hatten sich schon mal eine Besichtigung erlaubt – , freute sich der Nabu-Vorsitzende wie alle anderen Beteiligten über die gelungene Umsetzung des lange geplanten Vorhabens.

„Schon 2012 kam die Idee zu einem Artenschutzturm nach ostthüringer Vorbild auf“, sagte etwa Petra Schache von der Unteren Naturschutzbehörde. Zusammen mit ihrer Kollegin Birgit Hölzer ging sie damals das Projekt an, das in einem alten Transformationshäuschen der Thüringer Energienetze GmbH (TEN) umgesetzt werden sollte.

Doch der Weg dahin gestaltete sich schwierig, so Schache, nicht zuletzt, weil der Turm auf einem Privatgrundstück stand. Knapp zwei Jahre vergingen, bis die Gemeinde Crawinkel das Trafo-Häuschen von der TEN gekauft hatte.

Sechs Jahre vergingen bis zum Umbau des Turmes

Bei der Gemeinde sei die Idee von Anfang an auf große Zustimmung gestoßen, erinnert sich Stefan Schambach (SPD), der damals im Gemeinderat saß und ab Januar als Bürgermeister von Ohrdruf die Verantwortung für den Erhalt des Turmes im Ortsteil Crawinkel tragen wird. 2016 wurden schließlich die Transformatoren demontiert und der Gemeinde der Schlüssel für das Gebäude übergeben. Die ist nun für die Unterhaltung und die Bewirtschaftung des Artenschutzturmes zuständig.

Der Energiedienstleister Boreas Energie GmbH kümmerte sich zusammen mit dem Nabu 2018 um die Ausstattung des Artenschutzturmes, der zum Ausgleich für Windkraftanlagen in Wangenheim und Hochheim dient. Insgesamt 10.000 Euro kostete der Umbau des alten Gemäuers zur komfortablen Tier-WG. Die Gestaltung übernahm Susanne Löw im Auftrag der Boreas Energie GmbH. Sie arbeitete vor allem beim Ausbau im Inneren des Turmes eng mit dem Tischlermeister Benjamin Brand zusammen. Dieser fertigte Zwischendecken sowie Treppen mit Geländern und diverse Nistkästen aus Holz an. Außen am Turm bietet zudem eine Informationstafel einen Überblick über die tierischen Bewohner.

„Wir werden zukünftig auch Führungen für Schulen und interessierte Bürger anbieten“, sagte Susanne Löw. Außerdem plane die Naturschutzjugend verschiedene Projekte am Artenschutzturm, fügte Bellstedt an. Zwei bis drei Mal im Jahr werde der Nabu, der für die Kontrolle der Nutzung zuständig ist, nach dem Bauwerk und den Bewohnern sehen. Bellstedt hofft: „Es wäre schön, wenn dieser Turm erst der Anfang für viele Artenschutztürme im Landkreis ist.“

Zwei andere alte Trafo-Häuschen in Schwarzhausen habe man schon im Blick, entgegnete darauf Petra Schache.

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